Krankenhausreform

Für einen geplanten Wandel
Foto: St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof, Manuel Tennert

Seit Beginn des Jahres 2025 wird die Krankenhausreform umgesetzt. Die BKG fordert dringende Nachbesserungen am KHVVG, um die Patientenversorgung zu sichern. Dazu gehört unter anderem wirtschaftliche Stabilität für die Krankenhäuser.

Krankenhausreform ja, aber so nicht! Das KHVVG muss nachbessert werden

Die BKG hat gemeinsam mit vielen Trägergruppen bundesweit eine Reform der Krankenhauslandschaft grundsätzlich begrüßt, denn auch wir sehen einen Strukturwandel als notwendig an. Die Krankenhausversorgung muss wirtschaftlich nachhaltig organisiert, Personalengpässe beseitigt, Bürokratie reduziert und Effizienzpotenziale genutzt werden. Genau diese Ziele sollte die Krankenhausreform verfolgen.

Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ist jedoch ein Gesetz in Kraft getreten, das diese Erwartungen nicht erfüllen wird. Ende November 2024 passierte es nur knapp den Bundesrat – viele Bundesländer forderten Nachbesserungen. Berlin enthielt sich der Stimme und ermöglichte so das Inkrafttreten des Gesetzes.

Ein koordinierter Umbau der Krankenhauslandschaft kann nur gelingen, wenn er nicht zu einem unkontrollierten Strukturwandel führt. Deswegen muss die unverschuldete Defizitkrise der Krankenhäuser schnellstmöglich behoben werden. Die Krankenhausgesellschaften fordern unter anderem aus diesem Grund dringend eine Überarbeitung des KHVVG, das zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist und nun schrittweise umgesetzt werden wird.

Das ändert sich durch die Krankenhausreform

Bisher planten die Bundesländer, die für die Krankenhausplanung zuständig sind, wie viele Krankenhäuser und wie viele Betten für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Mit der Krankenhausreform ändert sich das. Denn nun werden medizinische Leistungen in 65 Leistungsgruppen gebündelt, die mit Mindestqualitätsanforderungen und Struktur- und Prozessvorgaben hinterlegt sind. Das können beispielsweise Vorgaben zur personellen und sachlichen Ausstattung sein, aber auch Vorgaben, welche verwandten Leistungsgruppen zusätzlich am Standort erbracht werden müssen. Welche Kliniken künftig welche Leistungsgruppen anbieten dürfen, legen die Planungsbehörden der Länder aufgrund des Versorgungsbedarfs fest.

Damit den Krankenhäusern bestimmte Leistungsgruppen zugewiesen werden, müssen sie beispielsweise nachweisen, dass sie bestimmte Qualitätsstandards erfüllen und über genügend Personal verfügen. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, erhalten sie eine Leistungsgruppe zugewiesen und damit die Möglichkeit einer Vergütung für die erbrachten Behandlungen. Kliniken, die nicht genügend Personal oder Fachkompetenz für bestimmte Leistungsgruppen nachweisen können, könnten gezwungen sein, Abteilungen zu schließen oder sich neu auszurichten. Einige Krankenhäuser könnten zu Gesundheitszentren mit Schwerpunkt auf Grundversorgung umgewandelt werden. Standortschließungen und Fusionen sind in Konsequenz möglich. Statt pro Behandlung bezahlt zu werden, sollen die Krankenhäuser mit der Vorhaltefinanzierung einen Teil ihrer Kosten durch Pauschalen finanziert bekommen.

Der Umbau der Krankenhauslandschaft muss sorgfältig geplant und mögliche Auswirkungen auf weitere Bereiche der Krankenhausversorgung, wie Zusammenspiel von Leistungsbereichen und Nachversorgung der Patienten, analysiert werden. Ein ungeplanter Strukturwandel, bei dem eventuell bedarfsnotwendige Kliniken aufgrund der derzeitigen dramatischen wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser schließen müssen, muss verhindert werden.

So soll die Reform finanziert werden

Bund und Länder wurden mit der Reform verpflichtet, ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen. Mit Mitteln aus dem „Transformationsfonds“ sollen Umstrukturierungen im Sinne der Reform finanziell unter­stützt werden. Geplant ist eine Finanzierung mit 50 Milliarden Euro, die den Kliniken über 10 Jahre ab dem Jahr 2026 zur Verfügung stehen sollen, zu gleichen Teilen aus Geldern der Gesetzlichen Krankenkassen und der Bundesländer. Für das Land Berlin bedeutet das zusätzlich zu den Investitionsmitteln jährlich zusätzliche 130 Millionen Euro an Einzahlungen in den Fonds.

Im Zuge der Umsetzung des KHVVGs müssen noch viele Aufgaben erledigt werden

Zur Umsetzung des Gesetzes müssen im Laufe des Jahres Rechtsverordnungen erlassen werden – unter anderem zur Ausgestaltung des Transformationsfonds, zur Festlegung von Mindestvorhaltezahlen und zur Definition von Qualitätsvorgaben für Leistungsgruppen. Bereits heute nutzen Kliniken sogenannte Grouper als Softwareprogramm, um stationäre Fälle nach dem diagnosebezogenen Fallpauschalensystem (DRG) abzurechnen.  Mit dem neuen zertifizierte Grouper des InEKs (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) werden die stationären Fälle den 65 im KHVVG festgelegten Leistungsgruppen zugeordnet. Ob die durch die entsprechende Rechtsverordnung in den Leistungsgruppen festgelegten Qualitätskriterien erfüllt werden, überprüft anschließend der Medizinischen Dienst.

Unter Berücksichtigung der Prüfergebnisse treffen die Planungsbehörden entsprechende Entscheidungen sowohl auf politischer als auch auf fachlicher Ebene. Diese Planungsentscheidungen werden im Krankenhaus-Beirat beraten. Für die Krankenhausplanung nach KHVVG-Vorgaben sind zudem Anpassungen der Landeskrankenhausgesetze erforderlich. Die Zuweisungen der Leistungsgruppen entscheiden über die Versorgungsaufträge der einzelnen Standorte. Parallel dazu muss die Gemeinsame Selbstverwaltung zahlreiche Vereinbarungen treffen und Bundes- und Landesebene sowie Bundesinstitute zahlreiche neue Vorschriften und Prozesse erarbeiten. Grundlegend ist, dass alle diese Schritte eng mit den Beschäftigten in den Kliniken sowie mit Ärzteschaft und Patienten abgestimmt und erfolgreich in die jeweiligen Abläufe integriert werden.

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Das KHVVG-Lexikon der Berliner Krankenhausgesellschaft

Mit der Krankenhausreform, die seit Januar 2025 in Kraft ist, steht die Berliner Krankenhauslandschaft vor großen Veränderungen und Herausforderungen. Das Lexikon der Berliner Krankenhausgesellschaft bietet verständliche Erklärungen zu den zentralen Punkten der Reform – kompakt, informativ und auf den Punkt.

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Darum fordern die Krankenhäuser von einer neuen Bundesregierung dringende Nachbesserungen am KHVVG

Pressemitteilung: Krankenhäuser müssen Wahlkampfthema sein

… weil die Defizitkrise der Krankenhäuser behoben werden muss:

Chronische Unterfinanzierung führte dazu, dass sich die Krankenhäuser bundesweit in wirtschaftlicher Not befinden. Für das Jahr 2024 gehen laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts 79 Prozent der Krankenhäuser von einem negativen Jahresergebnis aus.  Diese dramatische wirtschaftliche Lage betrifft auch die Krankenhäuser in Berlin. Klare Lösungen für die wirtschaftliche Sicherungen der Krankenhäuser sind im KHVVG nicht vorgesehen. Die aktuellen Regelungen bilden die massiven, durch die Inflation der letzten Jahre bedingten Kostensteigerungen, nicht angemessen ab. Weil die Preise der Krankenhäuser in den letzten drei Jahren nicht an die Kosten angepasst wurden, ist in Berlin ab 2024 eine jährliche Finanzierungslücke von etwa 160 Millionen Euro entstanden. Diese Summe bezieht sich auf die durchschnittliche Betriebskostenlücke aller Krankenhäuser in Berlin.Nach drei Jahren beträgt das Defizit fast eine halbe Milliarde Euro. Ohne einen zusätzlichen und strukturellen finanziellen Ausgleich müssen Kliniken die Patientenversorgung einschränken, Personal abbauen oder Insolvenz anmelden. Eine neue Bundesregierung ist angehalten, die ihr gesetzlich obliegende Pflicht zur wirtschaftlichen Sicherung der in den Krankenhausplänen ausgewiesenen Krankenhäuser ohne weitere Verzögerung nachzukommen. Eine auskömmliche und faire Finanzierung der Krankenhäuser ist grundlegend für die Daseinsvorsorge im Gesundheitsbereich.

… weil die geplante Vorhaltefinanzierung eine Mogelpackung ist:

Die im KHVVG vorgesehene Vorhaltefinanzierung muss umgehend ausgesetzt und auf Grundlage von Auswirkungsanalysen neu organisiert werden. Die derzeitig vorgesehene Vorhaltefinanzierung ist weiterhin Fallzahlabhängig. Das kann sich negativ auf die wirtschaftliche Leistung der Krankenhäuser auswirken: Wenn landesweit die Anzahl der Fälle sinkt, werden die individuellen Budgets der Krankenhäuser jedes Jahr gekürzt, selbst wenn ein Krankenhaus gleich viele oder mehr Leistungen erbringt. Die Vorhaltefinanzierung verfehlt damit sämtliche gesetzten Ziele und führt stattdessen zu erheblicher zusätzlicher Komplexität und Bürokratie. Als Übergangslösung bis zu einer späteren, verbesserten Reform der Krankenhausfinanzierung könnten bestehende Instrumente für eine, fallzahlunabhängige Finanzierung der Strukturkosten genutzt und erweitert werden.

… weil die Vorgaben zu den Leistungsgruppen die Krankenhausplanung einschränken:

Die bestehende Krankenhausplanung in NRW mit 60 Leistungsgruppen wurde ohne ersichtlichen Grund um fünf weitere Leistungsgruppen erweitert. Zusätzlich wurde für jede Leistungsgruppe eine Mindestfallzahl, “Mindestvorhaltezahl” genannt, festgelegt. Unterschreitet ein Krankenhaus die Mindestfallzahl für eine Leistungsgruppe, verliert es im Folgejahr den kompletten Anspruch auf Vorhaltefinanzierung. Ein weiteres Problem ist die Verschärfung der Vorgaben zur Anzahl verfügbarer Fachärzte. Die Krankenhäuser beurteilen die Personalvorgaben aufgrund des Fachkräftemangels aus ihrer Praxissicht heraus aus als zu hoch und unrealistisch.  Die Anforderungen an einzelne Leistungsgruppen können von den Kliniken kaum erfüllt werden.  Eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts aus dem Herbst 2024 zeigte zudem, dass die Mehrheit der kleinen und mittleren Krankenhäuser in Deutschland die geplanten Personal­vorgaben der Leistungsgruppen, die im Rahmen der Krankenhausreform eingeführt werden sollen, im Status Quo nicht erfüllen. Das ist vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels und des noch immer steigenden Bürokratieaufwuchs problematisch.

… weil die Reform mehr Bürokratie bringt, statt Bürokratie abzubauen:

Bürokratieabbau kann Arbeitszeit und damit mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten schaffen: Sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Pflegekräfte verbringen täglich durchschnittlich drei Stunden mit Dokumentationsarbeiten, die häufig keinen Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben. Reduzierte sich diese bürokratische Arbeit um nur eine Stunde pro Tag, würde dies rechnerisch rund 21.600 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 47.000 Vollkräfte im Pflegedienst freisetzen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat als Maßnahme 55 konkrete Vorschläge erarbeitet und der Politik unterbreitet, die sich unter fünf übergeordneten Kernanliegen zusammenfassen lassen:

  • Die Nachweispflichten müssen grundlegend reduziert werden.
  • Die Gesetzgebung muss sich einer realistischen Bürokratiefolgenabschätzung unterziehen.
  • Krankenhäuser brauchen ausreichende Umsetzungsfristen.
  • Normgebung und Normumsetzung müssen klar getrennt werden.
  • Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden.

Mit dem KHVVG allerdings wird die Bürokratielast nicht reduziert, vielmehr kommt durch die minutengenaue Dokumentation und Zuordnung von ärztlichen Leistungen zu jeder Leistungsgruppe noch mehr Dokumentationsarbeit ins Spiel. Zur Erklärung: Da Leistungsgruppe nicht gleich Abteilung ist, kann allein schon bei einer Visite in einem Zimmer mit drei Patienten die aufgewendete Zeit verschiedenen Leistungsgruppen zugeordnet werden. Die aufwachsende Dokumentationspflicht trägt nichts zur qualitativen Versorgung bei. Neue Dokumentationspflichten wie diese und sämtliche Dokumentations- und Nachweisverpflichtungen, die den Krankenhäusern in den vergangenen Jahren ohne jeglichen Mehrwert auferlegt wurden, müssen konsequent abgeschafft werden. Das ist im Sinne der Arbeitskräfte und der Patienten.

Die Krankenhausreform ist eine Chance. Das sagt auch der Bundesgesundheitsminister und macht dabei zahlreiche Versprechungen. Aber stimmen diese auch? Die Berliner Krankenhausgesellschaft macht den Faktencheck!

Krankenhausreform ja, aber so nicht! Die BKG macht den Video-Faktencheck

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Das fordern die Krankenhäuser vom Land Berlin:

Während die Betriebskosten der Krankenhäuser, also alle Kosten, die für die Behandlung von Patienten entstehen, von den Krankenkassen finanziert werden, sind die Bundesländer für die Investitionskosten zuständig. Aber auch hier bestehen erhebliche Finanzierungslücken. Die Berliner Kliniken leiden schon lange unter einem Investitionsstau und erhalten weniger Gelder, als nachweislich notwendig sind, um eine sichere und zeitgemäße Versorgung zu gewährleisten. Mit einer umfangreichen Erhebung haben die Träger der Berliner Krankenhäuser einen Investitionsbedarf von jährlich 350 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 nachgewiesen. Mit der mittlerweile eingetretenen Baukostensteigerung ist dieser Bedarf auf rund 500 Millionen Euro pro Jahr angestiegen. Mit den im Zuge des Nachtragshaushalts im November 2024 festgelegten Einsparungen bleiben den Krankenhäusern noch rund 161 Millionen Euro an investiven Mitteln, also nur ein Drittel an benötigten Mitteln.

Die finanziellen Nöte der Krankenhäuser wachsen also weiter auf – und ob der mit dem KHVVG beschlossene Transformationsfonds den vorgesehenen Mitteln befüllt und Abhilfe schaffen kann, ist fraglich. Das Land Berlin hat mit seiner Stimmenthaltung zum KHVVG-Beschluss mitgetragen, dass es ab 2026 jährlich 130 Millionen Euro für den Transformationsfonds bereitstellen muss, um die Krankenhauslandschaft gemäß den neuen Strukturvorgaben umzubauen. Diese Mittel müssen den Krankenhäusern auch in finanziell angespannten Zeiten gesichert und ergänzend zu den bereits bestehenden Investitionsverpflichtungen zur Verfügung gestellt werden. Letztendlich gilt auf Bundes- wie auf Landesebene: Es ist höchste Zeit, dass die Politik endlich das nötige Bekenntniss gibt und die Finanzierungsprobleme der Krankenhäuser entschlossen angeht.

Pressemitteilung: Keine Einschnitte in Krankenhausinvestitionen

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