Die wirtschaftliche Situation vieler Kliniken ist prekärer denn je: Über 60 % der Krankenhäuser bundesweit verzeichnen finanzielle Verluste. Für das Jahr 2024 gehen laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts 79 Prozent der Krankenhäuser von einem negativen Jahresergebnis aus. Ohne eine sofortige Überbrückungsfinanzierung droht zahlreichen Einrichtungen die Zahlungsunfähigkeit, auch in Berlin. Trotz dieser alarmierenden Entwicklung spielte die Krankenhausversorgung auch im bisherigen Wahlkampf, beispielsweise beim vergangenen Kanzlerduell, keine Rolle, dabei betrifft sie Millionen von Menschen direkt. Die Berliner Krankenhausgesellschaft hat daher Wahlprüfsteine formuliert und appelliert an die Berliner Wahlkämpfenden, dass eine neue Bundesregierung sich dafür einsetzt, klare finanzielle Zusagen zur Stabilisierung der Krankenhauslandschaft zu geben, die Vorhaltevergütung anzupassen und unabhängig von Fallzahlen zu machen und die strangulierende Bürokratie abzubauen.
Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft: „Ist das Gesundheitswesen nicht wahlkampftauglich? Oder hat die Politik die Verantwortung für eine funktionierende Krankenhausversorgung aus den Augen verloren? Die Berliner Krankenhausgesellschaft und andere Krankenhausgesellschaften haben sich schon Ende Januar mit Wahlprüfsteinen an die Wahlkämpfenden der demokratischen Parteien gewandt. Krankenhausversorgung scheint allerdings auch in Zeiten von drohenden Krankenhausinsolvenzen, steigenden Krankenkassenbeiträgen und Fachkräftemangel kein Thema zu sein. Dabei ist die aktuelle wirtschaftliche Lage der Kliniken dramatisch. Eine Brückenfinanzierung bis zum Eintreten der Reform gibt es nicht. Überhaupt bringt die Krankenhausreform den Berliner Krankenhäusern keine Entlastung. Im Gegenteil: Sie schafft neue, erhebliche Herausforderungen, bewirkt weder Planungssicherheit noch wirtschaftliche Stabilität und verweigert Antworten auf die drängenden Probleme der Häuser. Politik, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert, muss dieses Thema endlich in den Mittelpunkt rücken – und zwar jetzt! Es braucht jetzt das Bekenntnis der Politik, eine gesicherte Krankenhausversorgung zum Thema der nächsten Bundesregierung zu machen.“
Die Wahlprüfsteine im Einzelnen:
Defizitkrise der Krankenhäuser auch in Berlin beheben: Für das Jahr 2024 gehen laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts 79 Prozent der Krankenhäuser von einem negativen Jahresergebnis aus. Diese dramatische wirtschaftliche Lage betrifft auch die Krankenhäuser in Berlin. Klare Lösungen für die wirtschaftliche Sicherungen der Krankenhäuser sind im KHVVG nicht vorgesehen. Die aktuellen Regelungen bilden die massiven Kostensteigerungen nicht angemessen ab. Mit höchster Priorität ist daher eine kurzfristig wirksame Brückenfinanzierung zur wirtschaftlichen Sicherung bedarfsnotwendiger Krankenhäuser auf den Weg zu bringen. Weil die Preise der Krankenhäuser nicht angepasst wurden, ist in Berlin ab 2024 eine jährliche Finanzierungslücke von etwa 160 Millionen Euro entstanden. Diese Summe bezieht sich auf die durchschnittliche Betriebskostenlücke aller Krankenhäuser in Berlin, egal ob sie öffentlich, gemeinnützig oder privat sind. Nach drei Jahren beträgt das Defizit fast eine halbe Milliarde Euro. Ohne einen zusätzlichen und strukturellen finanziellen Ausgleich müssen Kliniken die Patientenversorgung einschränken, Personal abbauen oder Insolvenz anmelden. Die Bundesregierung ist angehalten, die ihr gesetzlich obliegende Pflicht zur wirtschaftlichen Sicherung der in den Krankenhausplänen ausgewiesenen Krankenhäuser ohne weitere Verzögerung nachzukommen. Eine auskömmliche und faire Finanzierung der Krankenhäuser ist grundlegend für die Daseinsvorsorge im Gesundheitsbereich.
Geplante, weiterhin von Fallzahlen abhängige Vorhaltevergütung aussetzen: Die im KHVVG vorgesehene Vorhaltefinanzierung ist unverzüglich auszusetzen und auf Basis von Auswirkungsanalysen neu zu bewerten. Ab sofort sollten keine weiteren Ressourcen mehr in die neue Finanzierungssystematik investiert werden. Die aktuelle Vorhaltefinanzierung erreicht keines ihrer Ziele, sondern löst im Gegenteil einen wesentlichen Komplexitäts- und Bürokratisierungsschub aus. Als Übergangslösung bis zu einer Reform der Krankenhausfinanzierung können die bestehenden Instrumente für eine „echte“ fallzahlunabhängige Strukturkostenfinanzierung genutzt und ausgebaut werden. Dies sind insbesondere der Notfallstufenzuschlag, der Sicherstellungszuschlag, der Zentrumszuschlag und die Methodik der Mehr- und Mindererlösausgleiche.
Bürokratieaufwuchs stoppen für mehr Zeit für Patientinnen und Patienten: Alle Dokumentations- und Nachweisverpflichtungen, die den Krankenhäusern in den vergangenen Jahren ohne jeglichen Mehrwert auferlegt wurden, müssen konsequent abgeschafft werden. Als erstes sollten sämtliche höchst bürokratischen Maßnahmen aus der vorangegangenen Gesetzgebung zurückgenommen werden. Sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Pflegekräfte verbringen täglich durchschnittlich drei Stunden mit Dokumentationsarbeiten, die häufig keinen Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben. Reduzierte sich diese bürokratische Arbeit um nur eine Stunde pro Tag, würde dies rechnerisch rund 21.600 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 47.000 Vollkräfte im Pflegedienst freisetzen!
Überlastete Notaufnahmen retten durch Notfallreform: Zur Entlastung der überfüllten Notaufnahmen und einer besseren Patientensteuerung brauchen wir integrierte Notfallzentren. Patientinnen und Patienten müssen medizinisch angemessen gesteuert und in die für sie am besten geeigneten Behandlungsschienen geleitet werden. Wir brauchen Integrierte Notfallzentren und vorgelagerte ambulante Versorgungsangebote.