Berlin, 29.09.2022 – Bundesweit und auch in Berlin stehen Krankenhäuser unter starkem wirtschaftlichem Druck. Die enormen Kostensteigerungen können die Kliniken nicht aus ihren Einnahmen decken und nicht an Patienten/-innen und Kassen weitergeben. Sie laufen deshalb absehbar in existenzgefährdende Defizite, die die Versorgungsstrukturen beeinträchtigen werden. Weil Bundespolitik über Monate hinweg nicht auf Mahnungen und Bitten reagiert hat, schlagen die Berliner Krankenhäuser am 29. September 2022 Alarm.
In allen Dienstleistungs- und Zulieferungsbereichen, insbesondere aber bei der Energieversorgung, müssen Kliniken in 2022, spätestens aber 2023 Kostensteigerungen um ein Vielfaches hinnehmen. Allerdings ist die gesetzlich mögliche Preissteigerungsrate für das laufende Jahr, die mit den Krankenkassen Ende letzten Jahres ausverhandelt wurde und nicht nachverhandelt werden kann, auf 2,32 Prozent gedeckelt. Zum Zeitpunkt der Verhandlungen waren der Angriffskrieg Russlands mit seinem Folgen für Energie und Kosten nicht absehbar. Deshalb ist Bundespolitik gefordert, schnell zu handeln: Die Krankenhäuser benötigen einen Inflationsausgleich, der auch in den kommenden Jahren trägt. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat ein Hilfspaket für Krankenhäuser bislang nur vage angekündigt.
Mit großen Sorgen und unter enormem wirtschaftlichem Druck bereiten sich die Krankenhäuser auf die Corona-Welle im Herbst/ Winter vor. „Die Krankenhäuser der Stadt gehen personell überlastet und finanziell angespannt in den Corona-Herbst“, so Brit Ismer, Vorstandsvorsitzende der BKG. „Seit 2 ½ Jahren befinden die Kliniken sich in einem erzwungenen Ausnahmebetrieb mit starken Personalausfällen und -belastungen. Betten müssen gesperrt, Stationen geschlossen, Operationen verschoben und Patienten/-innen vertröstet werden. Versorgungsengpässe werden zum Dauerzustand, wenn die Krankenhäuser angesichts extrem explodierender Kosten nicht dringend ausreichend Unterstützung erhalten.“
Der Pandemieverlauf darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Krankenhäuser nach zweieinhalb Jahren Corona-Ausnahmezustand sowohl wirtschaftlich als auch personell schwer angeschlagen sind, also ohnehin stark geschwächt mit der aktuellen Kostenexplosion konfrontiert werden. Alexander Grafe, Regionalgeschäftsführer der Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin, bilanziert: „Für die Krankenhäuser mit ihrer festen Kostenstruktur ist die aktuelle Entwicklung mit den enormen Kostensteigerungen eine weitere dramatische Herausforderung. Die Häuser müssen bereits seit Beginn der Pandemie und bis heute ein deutliches Minus bei den Patientenzahlen und damit bei den Erlösen verkraften. Und das bei einem deutlich höheren Aufwand durch die entsprechenden Infektionsschutzmaßnahmen. Hinzu kommt, dass Krankenhäuser flächendeckend aufgrund hoher Personalausfälle, insbesondere in der Pflege, nicht mehr ihre Normalkapazitäten betreiben können. Mindererlöse und Mehraufwand werden aber nicht mehr kompensiert, seit die Bundesregierung die Hilfen zum 1. Juli 2022 hat auslaufen lassen. Auch Ausgleichszahlungen, die vorher als Rettungsschirm die Liquidität der Krankenhäuser gesichert haben, sind ausgelaufen. Wir benötigen dringend und umgehend wieder anlaufende Corona-Hilfen und Sicherheit für 2023“.
Gesundheitssenatorin Ulrike Gote betont: „Sehr viele Kliniken in Berlin sind bereits finanziell geschwächt in 2022 gestartet und haben durch die vielen Jahre des Engagements in der Pandemie erschöpftes Personal. Diese Ausgangslage ist besorgniserregend für die nun zu bewältigende Energiekrise und Kostensteigerungen. Die Preissprünge für Energie und für andere Güter kann kein Krankenhaus aus eigener Kraft tragen, denn Kliniken können Kosten nicht wie andere Branchen weitergeben. Der Bund muss nun Gesetze so gestalten, dass die wichtige Struktur der stationären Versorgung bewahrt wird. Nun bedarf es einer Strategie auf Bundesebene für die dauerhafte Sicherung des Krankenhaussektors.“
Die enormen Kostensteigerungen betreffen die Energie, aber auch die Preise für Lebensmittel, medizinische Güter und Dienstleistungen, wie etwa Wäschereien. Die Berliner Krankenhäuser sehen die Bundesregierung angesichts der schwierigen Lage in der Pflicht, umgehend einen Inflationsausgleich einzuführen, der die Kliniken für das Jahr 2022 und perspektivisch für 2023 stabilisiert.
„Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach nicht handelt, drohen den Krankenhäusern Versorgungs- und Lieferengpässe, wirtschaftliche Schieflagen, hohe Wartezeiten und noch mehr überfüllte Notaufnahmen“, warnt Marc Schreiner, BKG-Geschäftsführer. „Ohne eine umgehende finanzielle Unterstützung durch den Bund, die nicht nur einmalig, sondern auch perspektivisch durch diese Krise führt, sind die Krankenhäuser schlichtweg gezwungen, ihr Angebot einzuschränken, Betten zu sperren, Stationen zu schließen. Jetzt muss die finanzielle Sicherheit für 2022 und 2023 geschaffen werden: Dafür braucht es vor allem eine Basiskorrektur des Landesbasisfallwerts um die Inflationskosten 2022, die volle Berücksichtigung der Preissteigerungen für das Jahr 2023 und einen Preisaufschlag als Inflationsausgleich für die bisherigen Behandlungen. Dass dies nicht selbstverständlich für die Gesellschaft stabilisierende Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern passiert ist, ist enttäuschend, auch nach dem, was Klinikbeschäftigte in den Pandemiejahren geleistet haben.“
„Alarmstufe Rot: Krankenhäuser in Gefahr“: Zwischen dem 5. und 29. September 2022 treten die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die 16 Landeskrankenhausgesellschaften gemeinsam an die Öffentlichkeit, um auf die dramatische wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser vor dem Hintergrund von Inflation und Pandemie aufmerksam zu machen. Die Krankenhäuser fordern dabei vor allem einen Inflationsausgleich, um kurzfristig wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben.
Die BKG ruft dazu auf, die Online-Petition zu unterstützen, damit Krankenhäuser im Notfall weiter da sein können: www.openpetition.de/!AlarmstufeRot