Berlin, 27. März 2023. Berliner Gesundheitseinrichtungen sind von Zeitarbeit in der Pflege sehr stark betroffen. Personalmangel und -ausfall bedingen die Suche nach Ersatzpersonal, um Versorgungsangebote aufrecht erhalten zu können. Dabei kann ein zu starker Einsatz von Zeitarbeit Pflegequalität, damit Patientensicherheit gefährden und führt zu Mehrarbeit und Unmut beim Stammpersonal. Die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen der Metropole fordern aufgrund des belastend hohen Anteils der Zeitarbeit seit Langem politische Unterstützung bis hin zum Verbot von Zeitarbeit in der Pflege. Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) empfiehlt ihren Mitgliedern nun einen Musterrahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung zwischen Zeitarbeitsfirmen und Krankenhäusern/ Pflegeeinrichtungen.
Zuvor hat der Kampagnenbeirat #PflegeJetztBerlin der Berliner Krankenhausgesellschaft den Musterrahmenvertrag beraten. Dieser soll folgende Ziele verfolgen: Verbindlichkeit der Einsätze (Vertragsstrafe), Gewährleistung von Qualität, Qualifizierung und Zusicherung von Weiterbildungsmaßnahmen durch die Zeitarbeitsfirmen. Der Mustertext beschreibt zudem konkrete Regelungen, die infolge der starken Zunahme des Einsatzes von Zeitarbeitskräften im Pflegebereich von besonderer Relevanz sind, z. B. Regelungen zu Pflichtfortbildungen, Nachweispflichten und Equal-Pay-Prinzipien. Den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wird dringend empfohlen, die inhaltlichen Vorgaben des Mustervertrags zu nutzen.
„Ein bereits hoher und weiter zunehmender Prozentsatz an Pflegenden in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist teilweise oder auch vollständig in Zeitarbeit beschäftigt. Mit dem immer weiter steigenden Anteil der Zeitarbeit gehen immer häufiger auch negative Effekte für Krankenhäuser und schließlich auch Patienten/-innen einher. Für die Pflegearbeit benötigen die Einrichtung verlässliche, gut eingearbeitete und aufeinander abgestimmte Teams. Häufiger personeller Wechsel und mangelnde Kenntnis der Abläufe vor Ort und der Patienten/-innen können dazu führen, dass Qualitätsstandards nicht eingehalten werden können und so die Patientensicherheit beeinträchtigt wird. Daher ist es richtig, in der Pflege auf Leiharbeit zu verzichten“, so Marc Schreiner, Geschäftsführer der BKG. „Wir schlagen mit den Empfehlungen des Rahmenvertrags einen „Fairness-Vertrag“ in beide Richtungen vor. Eine klare, spürbar normative Eindämmung von Zeitarbeit in der Pflege ist aber weiterhin ein Muss“, so Schreiner.
Den Vertragsparteien wird empfohlen, sich mit dem Mustertext auf einen Equal-Pay-Grundsatz zu einigen. Dabei soll sich der Verleiher nach den Grundsätzen und Tarifbestimmungen des Entleihers richten. Zudem werden Stundenverrechnungssätze und Zulagen für Leasingfirmen auf das 1,5-fache des Stundenlohns gedeckelt. Der Verleiher hat sicherzustellen, dass während der gesamten Entleihzeit keine Abwerbeunternehmungen gegenüber Personal des Entleihers erfolgen. Auch Vertragsstrafen in beide Richtungen können ausgesprochen werden.
Träger der Gesundheitseinrichtungen unternehmen bereits enorme Anstrengungen, um gute Vergütungs- und Arbeitsbedingungen für Angehörige der Pflegeberufe zu bieten. Neben vielen auch mit Preisen ausgezeichneten Kampagnen zur Mitarbeiterbindung, Programmen zur Vereinbarkeit von Beruf und privaten Bedarfen sowie Steigerung von Ausbildungskapazitäten oder zur optimierten Integration internationaler Fachkräfte arbeitet auch die Krankenhausgesellschaft mit ihrer Kampagne #PflegeJetzBerlin auf zahlreichen Ebenen an der Stärkung der Pflege. Neben all diesen gemeinsamen Anstrengungen von Trägern und Verbänden braucht es auch Regulierung. Die Empfehlung zum Mustervertrag ist ein Baustein, um diesen aus dem Gleichgewicht geratenen Arbeitsmarkt wieder zu stabilisieren und eine weitere Abwanderung des Stammpersonals aufzuhalten.
Politik scheint den dringenden Regulierungsbedarf nun zu erkennen. Während aus dem Freistaat Bayern eine Bundesratsinitiative zur Begrenzung der Zeitarbeit erwartet wird, hat jüngst der Bundesgesundheitsminister einen Gesetzesentwurf zur Eindämmung der Zeitarbeit in der Altenpflege vorgelegt. Danach sollen Zusatzkosten für die Inanspruchnahme von Zeitarbeitern/-innen den Pflegeheimbetreibern/-innen nicht mehr vergütet werden können. Der Minister sorgt damit dafür, dass Betreiber ihr Versorgungsangebot weiter einschränken müssen. Deutlich sinnvoller wären hier unter anderem die Begrenzung der Gebühren der Leiharbeitsfirmen, eine Bindung an den Tariflohn des Entleihers sowie eine bessere Kontrolle des Leihpersonals.
Berlin ist von Zeitarbeit deutlich stärker betroffen als der Bundesdurchschnitt. So beträgt der Anteil in Berlin aktuell 9,4 % im Krankenhausbereich und 7,6 % in der Langzeitpflege (bundesweiter Durchschnitt 3,2 %; Statistisches Bundesamt, 31.12.2021). Jede Zeitarbeitskraft verursacht das Zwei- bis Zweieinhalbfache der Kosten einer festangestellten Pflegekraft. Die zusätzlichen Kosten werden nicht refinanziert und können so nicht für die eigentliche Versorgung verwendet werden. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Anteil an Zeitarbeit in der Pflege um 30 %, in kritischen Pflegebereichen sogar um 50 % an. Der Trend ist weiterhin steigend und begünstigt somit die Negativspirale für den ohnehin schon bedrohlichen Fachkräftemangel in der Pflege.
Musterrahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung zwischen Zeitarbeitsfirmen und Krankenhäusern/ Pflegeeinrichtungen